GEMEINSAMER VORSCHLAG ÖSTERREICHISCHER TRANSGENDER-INITIATIVEN ZUR PERSONENSTANDSÄNDERUNG TRANSSEXUELLER

In Österreich wird eine Änderung des Geschlechtseintrags transsexueller Personen nur vorgenommen, nachdem sich diese einer Reihe von Therapien unterzogen haben und innere und äußere Geschlechtsorgane operativ entfernt wurden. TransGender-Initiativen haben seit Jahren dagegen protestiert, dass die Anpassung der Dokumente und des Vornamens nicht unter Wahrung der körperlichen Unversehrtheit möglich ist. Wie alle Betroffenen bestätigen können, ändert man sein Geschlecht niemals unter Narkose, sondern nur in einem Prozess der Anpassung und der sozialen Reintegration. Der erfolgte soziale Geschlechtswechsel muss auch vom Staat anerkannt werden. Mit Dokumenten, die ihrem Erscheinungsbild nicht mehr entsprechen, werden die Betroffenen immer wieder als Transsexuelle bloßgestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2009 entschieden, dass schwerwiegende operative Eingriffe, wie die Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für die Änderung des juristischen Geschlechts transsexueller Personen sein können. Dessen ungeachtet verlangt der Erlass des Innenministeriums (VA 1300/0013-III/2/2007) nach wie vor, dass für Personenstandsänderungen Befunde über geschlechtsanpassende Operationen vorgelegt werden müssen. Die Personenstandsänderung jener Frau, die den Prozess beim Verwaltungsgerichtshof gewonnen hat, wurde bis heute nicht durchgeführt.

Es ist längst an der Zeit, dass die Österreichische Bundesregierung eine mit den Menschenrechten vereinbare Lösung für die Änderung des Geschlechtseintrags Transsexueller trifft. Der untenstehende Vorschlag für eine neue Regelung wurde am 28. Juni 2009 von folgenden TG-Initiativen ausgearbeitet:

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Positionspapier österreichischer Transgender-Gruppen zur Personenstandsänderung

Vernetzungstreffen, Wien, 28. 6. 2009

Freie Wahl des Vornamens

Die Wahl des eigenen Vornamens darf nicht auf ein Geschlecht beschränkt werden. Der dem Geschlechtszwang zugrundeliegende Halbsatz von § 3 (1) Z. 7 des Namensänderungsgesetzes "oder als erster Vorname nicht dem Geschlecht des Antragstellers entspricht" ist zu streichen.

Kriterien für Personenstandsänderungen

Das einzige Kriterium, um die personenstandsrechtliche Änderung des Geschlechtseintrags vorzunehmen, ist, dass der ursprüngliche Eintrag nicht mehr dem sozialen Geschlecht entspricht. Personen, die in einem Geschlecht sozial anerkannt sind, sollten in diesem auch vom Staat anerkannt werden.

     Deklaration:

Die Antragstellerin / der Antragsteller hat zu erklären, dass das im Geburtenbuch eingetragene Geschlecht ihren / seinem Geschlechtsempfinden nicht entspricht.

Zur Belegung der Dauerhaftigkeit und der Ernsthaftigkeit des Geschlechtswechsels ist eines der folgenden Kriterien relevant:

(1)  Lebenspraxis
Nach einem sozialen Geschlechtswechsel darf eine Personenstandsänderung nicht verwehrt werden. Belege für den vorgenommenen Geschlechtswechsel können die Änderung des Vornamens, sowie glaubwürdige
Bestätigungen durch unabhängige ZeugInnen oder Institutionen, die die Person über längere Zeit begleitet haben, wie zum Beispiel PsychotherapeutInnen, ÄrztInnen, ArbeitgeberInnen, GeschäftspartnerInnen, Behörden etc. sein.

(2)  psychologisch - psychotherapeutische Befundung
Sofern die Lebenspraxis nicht ausreichend belegbar ist, kann die Dauerhaftigkeit des Geschlechtswechsels auch durch eine psychologische oder psychotherapeutische Befundung belegt werden.
Auf Grundlage einer begleitenden Psychotherapie und unter Heranziehung psychotherapeutischer oder psychologischer Befundungen kann die diagnostische Bewertung der Geschlechtsidentität durch den Therapeut / die Therapeutin als Grundlage der Personenstandsänderung dienen, sofern diese starke Evidenz für die dauerhafte Lebbarkeit des gewählten Geschlechts bietet.

Die Personenstandsänderung darf nicht von folgenden Kriterien abhängig gemacht werden:

(1)  Infertilität

Transsexuelle müssen sich in der Regel damit abfinden, dass sie infolge der für sie notwendigen medizinischen Behandlungen keine (weiteren) eigenen Kinder mehr haben können. Ihnen dazu aber das Recht abzusprechen, hieße sich der Eugenischen Logik anzuschließen, der zufolge "unwürdige" BürgerInnen kein Recht auf Nachkommen haben sollten. Aus vielen Erfahrungen wissen wir, dass die Beziehung zwischen transsexuellen Eltern und deren Kindern - sofern sie von den Jugendämtern zugelassen wird - meist wesentlich intensiver und besser ist als bei anderen Menschen.

(2)  operative Eingriffe jeglicher Art

(3)  Hormonbehandlungen

(4)  alle somatischen Behandlungen

Transgender-Personen brauchen in der Regel medizinische Unterstützung im Geschlechtswechsel. Die Art und Reihenfolge der notwendigen Behandlungen ist jedoch individuell unterschiedlich. Für einige Transsexuelle implizieren chirurgische, hormonelle oder andere medizinischen Behandlungen ein so hohes Gesundheitsrisiko, dass von der Behandlung abgeraten werden muss. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2009, wonach schwerwiegende Eingriffe keine notwendigen Bedingungen für die Änderung des Geschlechtseintrags sein dürfen, muss beachtet werden.

Das Recht auf die Unversehrtheit des eigenen Körper darf bei der staatlichen Anerkennung des gelebten Geschlechts nicht eingeschränkt werden.

(5)  Maßnahmen zur Angleichung des äußeren Erscheinungsbildes

Die Notwendigkeit "zur Angleichung des äußeren Erscheinungsbildes" im Transsexuellen-Erlass 1996 ermöglichte über Jahre die vom Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig erkannte Exekution des Operationszwangs. Es lässt sich kaum festschreiben, aus welchen Elementen das "äußere Erscheinungsbild" eines Geschlechts besteht, ohne in sexistische Zuweisungen abzugleiten. Transgender-Personen unterziehen sich in der Regel Maßnahmen zur Angleichung, um im Wunschgeschlecht anerkannt zu werden. Wer in seinem Wunschgeschlecht sozial anerkannt ist, hat dafür ausreichende Anpassung des Erscheinungsbildes vorgenommen.

Hinweis:

Die Übernahme sämtlicher anfallender Behandlungskosten muss unbedingt gewährleistet sein.

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